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Studie über EFSA-Bewertung von genetisch manipulierten Pflanzen, Vorstellung neuer Techniken

Ariane hat auf eine Publikation von Testbiotech v. 21.1.2021 hingewiesen. Diese belegt das systematische Ausblenden bestimmter Risiken durch die EFSA bezüglich der Risiken von Gentechnik-Pflanzen:

https://www.testbiotech.org/pressemitteilung/die-risiken-von-gentechnik-pflanzen-ein-blick-auf-die-dunkle-seite-des-mondes

 

Da die dazugehörige Studie sehr interessant ist und es in diesem Zusammenhang  eine sehr gute Darstellung über neue genetische Techniken gibt habe ich das Ganze mal etwas aufgearbeitet.


Testbiotech ist ein in München ansässiges Institut, zu dessen Förderern z.B. das Bundesamt für Naturschutz, das Umwelt- und das Forschungsministerium zählen.
Der Artikel stützt sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse der RAGES-Studie über die Behandlung von gentechnisch behandelten Pflanzen durch die ENSA.

Kooperationspartner für RAGES sind ENSSER (European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility), dessen Schweizer Partnerorganisation CSS (Critical Scientists Switzerland), GeneWatch UK und Testbiotech.


Publikationen im peer review:
https://link.springer.com/article/10.1186/s12302-019-0274-1

Insufficient risk assessment of herbicide-tolerant genetically engineered soybeans intended for import into the EU

Juliana Miyazaki1,Andreas Bauer-Panskus1,Thomas Bøhn2,Wolfram Reichenbecher3 & Christoph Then1

 

Environmental Sciences Europe volume 31, Article number: 92 (2019)


Zusammenfassung: Ungenügende Testszenarien und nicht berücksichtigte Effekte von Mischungen freigesetzter Toxine.
Die von der EFSA verwendeten Testszenarien gehen von zu geringen Herbizid-Ausbringungen aus und berücksichtigen nicht deren Steigerung wegen des Aufkommens resistenter Arten. Sie Berücksichtigen auch nicht die Effekte von Mischungen (kumulative, kombinatorische und indirekte Effekte).

 

 https://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/s12302-020-00301-0

Risk assessment of genetically engineered plants that can persist and propagate in the environment

Andreas Bauer-Panskus1,Juliana Miyazaki1,Katharina Kawall2 & Christoph Then1 

Zusammenfassung: Ungenügende Berücksichtigung von Gene-Flow und Weiterverbreitung und von Effekten in späteren Generationen. Zum Beispiel könnten GM-Pflanzen invasiv werden wenn entweder das eingeführte Merkmal oder Folgen davon einen Selektionsvorteil ergeben (Beispiel dürreresistente Arten). Das Glyphosat-Resistenz-Gen kann in einigen Fällen Selektionsvorteile in bestimmten Umgebungen aufgrund von erhöhter Auxin-Produktion verleihen. Die Weitergabe von Steuerungselementen der Genexpression ( die aus einer Reihe von Arten "zusammengebaut" sind) aus den veränderten Pflanzen durch Gen-Flow in natürliche Arten kann zu unvorhergesehenen Effekten führen. Wenn mehrjährige Populatioenen von GM-Pflanzen etabliert werden (oder sich unabsichtlich etablieren) muß mit Effekten durch Evolution und Bildung von Hybriden gerechnet werden die nicht kontrolliert werden können.
Vorschlag, einen weiteren Evaluationsschritt "Raum-Zeitliche Kontrollierbarkeit" in die Bewertung einzufügen. Dies soll als Ausschlußkriterium gehandhabt werden. Hinweis, dass diese Evaluierung auch für die Einfuhr von Futtergetreide gilt weil Verschleppung auf heimische Felder nicht ausgeschlossen werden kann.

Tabellarischer Überblick über die Defizite: https://www.testbiotech.org/sites/default/files/RAGES_Tabled%20overview%20gaps%20in%20current%20risk%20assessment_0.pdf

Sehr interessant ist der Bericht über neue Genmodifikations-Techniken: https://www.testbiotech.org/sites/default/files/RAGES_report-%20new%20genetic%20engineering%20techniques.pdf


Novel types of GMOs            Commercially infrequent applications of GMOs            New techniques of                                                                                                                                                                      producing GMOs

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Synthetic genomics             Grafting                                                                                           RNA-dependent DNA                                                                                                                                                                    methylation (RdDM)
RNAi-based crops                  Agro-infiltration                                                                           Genome editing techniques:
                                                                                                                                                                    CRISPR etc.
Cisgenesis and
intragenesis                             Reverse breeding

Kurze Zusammenfassung der Probleme:
RNAi:

Einfügen von Sequenzen, die RNA prodzieren die bestimmte Gene "ausschalten" indem die produzierte mRNA "neutralisiert" wird. Diese Effekt ist spezies-unspezifisch, Weitergabe an andere Arten kann zu unvorhergesehenen Effekten führen.
In der Regel wird eine größere dsRNA produziet, die in kleinere wirksame siRNAs zerlegt wird. Das geschieht im Zielorganismus oder in einem Organismus, der den Zielorganismus aufnimmt. Diese Abläufe sind komplex und unvorhergesehene Seiteneffekte sind zu befürchten. Schon die Aufnahme von dsRNAs durch andere Organismen führt natürlich zu kaum absehbaren Effekten. Forschng über die Sicherheit solcher Techniken steckt noch in den Kinderschuhen.
FolgendeDefizite wurden in einem Report der EFSA 2014 eingeräumt:
 "  - Das RNAi und metabolische Profiling in RNAi-basierten Pflanzen könnte
      weiter erforscht und bestätigt werden, um die Risikobewertung zu
      unterstützen. ...
    - Der Einsatz von Bioinformatik zur Vorhersage potenzieller
      Off-Target-Effekte bei Verbrauchern sollte weiter erforscht werden.
    - Mögliche Veränderungen in der Mikrobiota, die sich im menschlichen oder
      tierischen Darm befindet, nach dem Verzehr von von Lebens- und
      Futtermitteln, die von RNAi-basierten Pflanzen stammen, könnten ein
      Forschungsthema sein."
Auf keinem dieser Gebiete gab es seither substantielle Fortschritte.
Es handelt sich unabhängig vom Mechanismus immer um einen Eingriff ins Erbgut. Trotzdem gibt es schon 3 von der EFSA als Futtermittel in der EU zugelassene Organismen.

Synthetische Genome:
völlig neu konzipierte Genome werden in ein "Chassis", einen Organismus mit nur rudimentären Erbanlagen eingebaut. Zur Zeit eher für Mikroorganismen und für "contained use". Ziele sind z.B. Spezialisierungen für Biosensoren aber auch "Deextinction" also die Wiederbelebung ausgestorbener Arten. Die "Ergebnisse" sind natürlich weit von natürlich vorkommenden Arten entfernt und Effekte der Freisetzung drastisch und unabsehbar.

Cisgenetik und Intragenetik
Es handelt sich hier immer um den Transfer von Genen aus eng verwandten Bereichen.
Cisgenetik: Einführen von Genen mit ihren Steuerungselementen von einer Art in eine verwandte, sexuell kompatible Art.
Intragenetik: sowohl das Gen als auch die Steuerungselemente (Promotor/Terminator) stammen aus anderen (aber normalerweise verwandten) Arten.
Eigentlich liegt etwas vor, was ganz einfach eine Genmanipulation ist und damit auch so behandelt werden könnte wenn nicht interessierte Kreise daran arbeiten würden (siehe Leopoldia-Statement oder US-Zulassungsbedingungen) bzw. es schon geschafft hätten, die Tatsache der Verwandschaft der betroffenen Organismen als Grund für die Ungefährlichkeit solcher Manipulationen zu etablieren.
Die Risiken sind demnach völlig analog zu denen anderer Genmanipulationen:

- zuerst genannt werden die Probleme mit der Einführung der Gene bzw. des CRISPR-Mechanismus. Dabei kommt es fast immer zu komplexen Umstrukturierungen (bekannt z.B. von Arobakterium tumefaciens) im Wirts-Genom.
- Einziger Vorteil gegenüber"Transgenetik":das Risiko auf der Ebene sekundärer Metaboliten ist möglicherweise geringer da das gentische Material schon einmal evolutionär im Bereich verwandter Organismen aufgetreten ist.

- Grundsätzlich sollte man auch hier nicht primär auf Artefakte schauen: Ziel ist eine Veränderung, die unbeabsichtigte Folgen haben kann auch wenn alles wie geplant geht. Daher sollte sie evaluiert werden. Das zu verhindern ist der wesentliche Sinn der phantasievollen Begriffe.

Seltenere Anwendungen:
trans-Grafting: Aufpfropfung von GM-Material auf normale Pflanzen
Agro-infiltration: Agrobakterium tumefaciens mit dem interessierenden Gen wird benutzt um Blätter o.ä. in Lösung zu infizieren. Das Gen wird also nur lokal und nicht generalisiert eingebaut. Hauptsächlich Forschungsanwendungen. Trotzdem ist schwer vorherzusehen was mit dem Bakterium in der Pflanze oder im betroffenen Ökosystem geschieht.
"Reverse breeding": Herstellung von homozygoten Linien aus einer heterozygoten Pflanze.

Neue Genetische Techniken
RdDM
Umgekehrte RNA gesteuerte DNA-Methylierung:
Über eine RNAi-Manipulation (siehe oben ) wird eine Methylierung eines DNA-Abschnittes eingeführt, die diesen inaktiviert. Das RNAji-Konstrukt wird anschließend "herausgekreuzt". Im Extremfall ist es möglich, so etwas durch besprühen mit siRNA zu erreichen. Dann wird keine DNA in den Zielorganismus eingeführt und keine Änderung der DNA-Sequenz findet statt. Momentan noch nicht kommerziell genutzt. Es ist klar, dass das Interesse an dieser Technik besonders davon geprägt wird, dass eine Einstufung als genetische Modifikation definitorische Schwierigkeiten aufwirft.

Gene-editing

ODM
Oligonucleotide directed Mutagenisis.

(Meist) Einzelstrang DNA von 100-200 Basen mit kleiner - oder Punktmutation wird mit unterschiedlichen Methoden  in Zellen eingebracht. Über einen nicht vollständig verstandenen Mechanismus wird jetzt diese Mutation ins Erbgut eingebaut. Angenommener Ablauf: Paarung mit ursprünglicher DNA und Ergänzung durch Reparaturenzyme zu 2 DNA-Strängen, einer davon ist dann mutiert. Extrem abhängig von Zellzyklus und Zustand er Zellen. Transferraten von nicht messbar bis 40%.


CRISPR
prinzipiell ähnlich und davon mehr oder weniger verdrängt: ZFN, TALEN,meganucleases

Probleme:
Einführung des Nuclease-Komplexes in die Zelle entspricht klassischem genetic engineering und kann Artefakte erzeugen. Neue Technik: RNA-Cas9-Komplex extracellulär erzeugen und dann einführen (keine DNA eingeführt).


Schlussfolgerungen aus dem Paper:

(Glossar: GVO genetisch veränderte Organismen)
"Neuartige GVOs (z.B. RNAi-basierte GV-Pflanzen) und synthetische Genomik können zu neuen Risiken für die Umwelt, die Gesundheit von Tieren und Menschen hervorrufen. Grafting, Cisgenese und Intragenese, Reverse Züchtung und RdDM nutzen entweder GVOs  mit Techniken der ersten Generation als Zwischenstufe oder können im Falle der Agro-Infiltration ungewollt GVOs hervorbringen. Wie die Techniken der ersten Generation können auch die hier beschriebenen neuen gentechnischen Techniken (RdDM und Genome Editing) unerwartete und unvorhersehbare Effekte in den entstehenden GVOs hervorrufen, selbst wenn alle eingefügten Gene vor der Kommerzialisierung wieder entfernt werden.
Alle gentechnischen Verfahren haben das Potenzial, unvorhergesehene genomische Wechselwirkungen hervorzurufen, genomische Unregelmäßigkeiten und unbeabsichtigte biochemische Veränderungen zu verursachen. Daher ist es wichtig, dass alle Anträge für den Anbau (einschließlich Feldversuche) und das Inverkehrbringen von GVO, die mit diesen Techniken hergestellten GVOs einer vollständigen Umwelt- und Gesundheitsrisikobewertung unterzogen werden.
Für RNAi-basierte GVO-Pflanzen bestehen große Unsicherheiten und Wissenslücken, so dass offene Fragen offen bleiben, wie die Risiken von RNAi-basierten GV-Pflanzen sowohl für die Umwelt als auch für Lebens- und Futtermittel. Trotz des Fehlens einer EFSA-Leitlinie zur Risikobewertung von RNAi-basierten GV-Pflanzen, wurden zwei RNAi-basierte GV-Pflanzen in der EU für die Verwendung als Lebensmittel zugelassen. Dies ist nicht akzeptabel, und es wird dringend empfohlen, neue Leitlinien zur Risikobewertung für neue GVO zu erstellen, insbesondere für solche, die durch Genome Editing entwickelt wurden, bevor Anträgen auf Anbau oder Vermarktung geprüft werden.


Die derzeitige Anleitung zur Risikobewertung in der EU müsste erweitert werden, um die zusätzlichen unbeabsichtigten Auswirkungen, die Genome Editing verursachen kann, zu bewerten. Die molekulare Charakterisierung der Risikobewertung muss erweitert werden, um die Analyse auf unbeabsichtigte Veränderungen auf genomischer Ebene, einschließlich Off-Target-Effekte, unbeabsichtigte On-Target-Effekte und Effekte auf die genomische Regulierung zu erfassen. Es wird auch eine Analyse des Transkriptoms, Proteoms und Metaboloms erforderlich sein.
Eine solche Analyse würde auch die Risikobewertung von GVO der ersten Generation verbessern.Die Risikobewertung muss ein breiteres Spektrum von Merkmalen berücksichtigen, die durch den gentechnischen Prozess übertragen werden, für einige davon gibt es möglicherweise keine Erfahrung. Sie muss die direkten und indirekten Auswirkungen auf landwirtschaftliche Praktiken und ökologische Auswirkungen, die durch Veränderungen der Tierernährung berücksichtigen.


Gen-Drives stellen einen Sonderfall von GVOs dar, mit der Gefahr schwerwiegender Folgen für die die biologische Vielfalt. Die Durchführung einer robusten Risikobewertung, insbesondere in Bezug auf langfristige ökologische Auswirkungen wäre höchst problematisch und es wäre schwierig, wenn nicht gar unmöglich, Sicherheitsgarantien für irgendeine Freisetzung in die Umwelt zu geben. Darüber hinaus ist nicht klar, wie die Zustimmung der lokalen Gemeinden eingeholt werden könnte, da es derzeit (wie in der Konvention für biologische Vielfalt gefordert) kein Mechanismus für eine gesellschaftliche Konsultation zu GVO in der EU existiert. Die Anwendung des Vorsorgeprinzips, wie es im EU-Recht verankert ist, würde die Freisetzung von GVOs als Teil eines Gene-Drive-Systems ausschließen.


Weitere Entwicklungen von Technologien zum Nachweis von Off-Target-Effekten und unbeabsichtigten On-Target-Effekten durch Genom-Editierung verursacht werden, sind erforderlich, ebenso wie die Entwicklung von Technologien zum Nachweis der resultierenden GVO-Organismen in einigen Fällen notwendig sein. Allerdings sind die technologischen Probleme nicht unüberwindbar, und die Techniken können entwickelt werden, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist."

Übersetzungen mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version- with a little help by me), Hervorhebungen von mir.

 

Bernd Wille
 

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