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Zuckerrüben und Neonicotinoide - Notfreigabe abgelehnt

Es geht mal wieder um den Einsatz von Neonicotinoiden im Zuckerrübenanbau. 

Man darf nicht in den Fehler verfallen, die Situation nur aus der Position der Artenvielfalt zu betrachten (wir haben bis zu 70% Verlust an Biomasse, fallende Zahlen von Betäubern). Ebenso falsch ist die reine Perspektive der Bauern (Höfesterben, kleine Betriebe haben massive Probleme).

Nach dem guten alten Prinzip "divide et impera" werden jetzt die Naturschützer auf die Bauernschaft (und umgekehrt) losgelassen. Stattdessen müßte sich die Politik auf EU-Ebene fragen was für eine Landwirtschaft sie will (hat man mit der Farm to Fork Stragtegie eigentlich formuliert) und dann auch die Rahmenbedingungen schaffen um das zu ermöglichen (d.h. keinesfalls weitermachen wie bisher).

 

Wir müssen die Geschichte von vorn erzählen. Da gab es einmal eine EU, die ihre Landwirtschaft zur Selbstversorgung für unverzichtbar hielt und zu deren Unterstützung "Milchseen" und "Butterberge" finanzierte (natürlich auch Zuckergebirge). Über die nationalen Quoten wurde viel gespottet und schließlich setzten sich die Marktwirtschaftler durch, die den Bauernverbänden klarmachten, dass die EU-Landwirtschaft jetzt die internationalen Märkte aufrollen und viel Geld verdienen könnte. Die Subventionen wandelte man weitgehend in Flächenprämien um, was dem EU-Steuerzahler nichts nützte, wohl aber den Besitzern großer Agrarflächen und einigen Konzernen die das Kapital haben sich sowas zusammenzukaufen. Diese Politik wird gerade mit der neuesten Auflage der GAP im Prinzip fortgesetzt.

In Teilen des Fleischmarktes hat die Umstellung sogar geklappt (wegen der Subventionen). Was den Rest der Landwirtschaft angeht so schlägt sie sich so durch, reich geworden sind nur wenige Großbetriebe. Besonders düster ists dort wo der Absatz im Inland über wenige Vermarkter oder Großkunden läuft wie zum Beispiel in der Milchproduktion.

Im Falle des Zuckermarktes lesen sich die Stellungnahmen so:"...erkennen die

Institutionen die Schwierigkeiten des Zuckersektors an, die sich durch die Instabilität auf den

internationalen Märkten, stagnierenden Konsum und rückläufige Zuckerrüben- und

Zuckerproduktion ergeben." https://www.zuckerverbaende.de/wp-content/uploads/2021/06/Statement-WVZ-zum-GAP-Beschluss-EU-Agrarrat.pdf

"So bahnt sich ein ruinöser Preiswettbewerb europäischer Zuckerhersteller mit Herstellern von Rohrzucker aus Brasilien und Thailand an, welcher nur zu Lasten der Bauern und der Umwelt ausgetragen werden kann. ...forderte vor diesem Hintergrund, dass die anstehende Agrarwende durch einen verbesserten EU-Außenschutz vor Drittlandsimporten abgesichert und ruinöse Überschussproduktionen abgebaut werden müssen." (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft).

 

Diese Situation führt auch dazu, dass die EU-Regierungen ihren je eigenen Bauern natürlich keinen Wettbewerbsnachteil gegenüber denen der Nachbarländer zumuten wollen oder können. Ausländischen Herstellern Importzölle zuzumuten ist auch schwierig wenn man dort gleichzeitg andere Produkte verkaufen will - seien es Schweinefleisch oder Autos.

 

Das ist der Hintergrund, der dazu führt, dass immer wieder sogenannte Notzulassungen für Pestizide ausgesprochen werden, von denen man genau weiß und bereits (qua Verbot) anerkannt hat, dass sie unsere Biodiversität und sogar die eigenen Produktionsbedingungen langfristig ruinieren. Das führt auch dazu, dass Bauernverbände Zeter und Mordio schreinen wenn sie ihre jährlichen Notzulassungen nicht bekommen.

Die Ministerien sind soweit wissenschaftlich beraten, dass sie diese Notzulassungen mit diversen Ausführungsbestimmungen bewehren (https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/ips/dateien/ips_allgemeinverf%C3%BCgung_zuckerr%C3%BCbensaatgut_19.01.2021.pdf). Leider gibt es kein Personal um die zu kontrollieren. Umgesetzt werden sie nicht oder nur unvollkommen - wahrscheinlich weil der jeweilige Betrieb das realistisch oft gar nicht kann. Selbst wenn sie umgesetzt werden sind sie meist unwirksam weil man ein Pestizid das sich im Boden befindet eben bei Starkregen nicht festhalten kann und es unrealistisch ist alle blühenden Wildkräuter von Rübenfeldern zu verbannen.

 

Wenn man den existentiellen Druck aus der Sache nehmen könnte - durch eine anderer Agrarpolitik - gäbe es im Zuckerrübensektor diverse Möglichkeiten (resistentere Sorten, aufwendigere Fruchtfolgen) um das Problem anzugehen. Es muss ja gar nicht unbedingt ökologischer Landbau sein.

Glauben sie jetzt nicht, dass ich weiß wie das im einzelnen funkitionieren kann. Es ist trotzdem vermutlich mal Zeit, sich die Randbedingungen klarzumachen.

 

Ach ja - die gute Nachricht: das Bundeslandwirtschaftsministerium hat die Notfallzulassung für Thiamethoxam-haltige Saatbeizen für Zuckerrüben nicht bewilligt (https://www.taz.de/!5812746). Ich konnte die Details noch nicht verifizieren - auf der BFL-Website waren sie nicht zu finden. Vorangegangen waren Berichte über die Unwirksamkeit der Schutzmassnahmen in Franken (https://www.spiegel.de/wissenschaft/bienensterben-hochgiftige-pestizide-breiten-sich-in-bayern-aus-a-1cfa3b00-6ccf-48e7-8b30-2feaf24a7d52, https://taz.de/Nach-Notfallzulassung-eines-Pestizids/!5799734/).

B. Wille

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