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Gentechnik - sollten wir nicht lieber über sinnvolle Regulierung nachdenken?

Es gibt jetzt eine erste Entscheidung des EU-Parlaments pro Deregulierung grüner Gentechnik aber mit erheblichen Änderungsanträgen.  
[http://39968.seu1.cleverreach.com/m/8273299/504386-0058e9347a9afe6f7bc8f445d7cb4c355098eb9e7d1ff3d8fddd1e9fedfe1b58bd3787966d413acd9523b5bfa708246b]  
Die Zustimmung auf nationaler Ebene scheint noch nicht sicher zu sein.  
Im Augenblick führt die Debatte mit ihrer ziemlich brachialen Polarisierung leider dazu, dass nicht rational an das Problem herangegangen wird sondern ein Glaubenskrieg abläuft.(siehe Nobelpreisträger-Aufruf)
 
Was hier abläuft ist neben einfachem Lobbyismus das Verfolgen durchaus verständlicher Eigeninteressen im Wissenschaftsbetrieb. In Deutschland gibt es vergleichsweise wenig industrieunabhängige Finanzierung für Genforschung. Wenn die Verwertungsbedingungen nicht stimmen dann fördern die Unternehmen eben anderswo. Daher wird dann die Forderung nach vernünftiger Kontrolle als Forschungsverhinderung ausgelegt und mit Zähnen und Klauen bekämpft.  
Allerdings sollte es in einer demokratischen Gesellschaft möglich sein Kontrolle einzufordern - zumal Deutschland die entsprechenden Konventionen unterzeichnet und das Vorsorgeprinzip sogar in nationales Recht umgesetzt hat.
Es sind auch Forschungsmittel nötig für die Leute, die darüber nachdenken warum etwas eventuell **nicht** umgesetzt werden sollte.
Es handelt sich hier also nicht um einen Grund für moralische Entrüstung sondern um eine politische Aufgabe - gute öffentliche Grundfinanzierung für universitäre Forschung.  
 
Das ist umso trauriger als erste interessante Entwicklungen auf dem Gebiet genetisch manipulierter Pflanzen sich abzeichnen. Bitte ersparen Sie uns hier die Debatte über Bauernfängereien wie cis-Genesis oder angeblich unschädliche Einzelbasenveränderungen (inzwischen sollen es wohl schon 20 Basenpaare sein). Eine Veränderung des Erbguts ist eine Genmanipulation und was sie bewirkt kann man erst durch einen experimentellen Test des Endprodukts feststellen und nicht (weg-)dekretieren.  
Es gibt aber abseits der GABA-Tomate (beruhigend), dem nicht bräunenden Champignon (Kundentäuschung im Supermarkt), von "Frankenfish" (drohender ökologischer Katastrophe), "golden rice" (so unsinnig wie fast alle Nahrungsergänzungmittel) und umgefärbten Petunien auch sinnvolle Entwicklungen. Das gilt vor allem für Schädlingsresistenzen, die nicht auf "eingebauten" Insektiziden (Bac-Thuringiensis-Toxin) beruhen. Interessant ist z.B. eine unkrautresistente Hirse. Die stammt nicht von Bayer und ist daher nicht mit 6 Herbizid-Resistenzen verziert und wird - weil lokal in Afrika entwickelt - hoffentlich auch so vermarktet, dass sie lokalen Bauern tatsächlich hilft. Lassen Sie uns mal davon absehen, dass Kenia leider auf die Sache mit cis-Genesis hereingefallen ist und diese Hirse nicht reguliert.  
Ein anderer Bereich sind  Resistenzen gegen Schädlinge. In Italien wird ein  pilzresistenter Reis  entwickelt, der  vielversprechend ist. Der Ablauf ist eher ärgerlich weil im Vorgriff auf die erwartete Deregulierung ein Anbauverbot umgangen wird.  
Bei beiden Entwicklungen kann man - da für den menschlichen Konsum bestimmt - hoffen, dass eine strickte toxikologische Prüfung stattfindet. Ein negatives Beispiel wäre in beiden Fällen ziemlich unangenehm. Leider ist in beiden Fällen damit zu rechnen, dass die Pflanzen sich wegen ihres Selektionsvorteils aussähen und verbreiten, was man aus vorhersehbaren Gründen weniger sorgfältig evaluieren dürfte.  
Beides wären eigentlich Objekte für eine Diskussion über vernünftige Evaluierung und kontrollierte Freisetzung - mehr wollen die Gegner der Deregulierung (aus der "Dunkelheit der wissenschaftsfeindlichen Panikmache") übrigens gar nicht. Leider ist nicht damit zu rechnen, dass man nach der zu befürchtenden EU-Entscheidung noch mit Kritikern reden wird.  
Reden wir eben in 10 Jahren über die negativen Folgen - diese Abfolge sind wir ja schon von der Chemie-Industrie (PFAS - hier 50 Jahre -, Neonics, hormonaktive Substanzen) gewöhnt.  
 
Bernd Wille


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