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Kommunale Abwasserrahmenrichtlinie

Wir hatte auf dem letzten Treffen eine Diskussion über Spurenstoffe und die Kommunale Abwasserrahmenrichtlinie  ("KARL")

Da die Gemengelage nicht ganz leicht zu durchschauen ist hier eine kurze Zusammenfassung

 

KARL:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202403019

 

Zweck: 

Die Sauberkeit der Gewässer (und damit des Trinkwassers) gemäß Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) ist auf Dauer nur durch Beseitigung oder Reduzierung einiger Substanzklassen von Spurenstoffen zu erreichen. Hilfreich dabei ist eine neue (4.) Reinigungsstufe in den kommunalen Kläranlagen. Es soll europaweit einheitlich für den Bau und die Finanzierung dieser Stufe gesorgt werden.

 

Zieldatum: Umsetzung in nationales Recht bis Januar 2028 (ehrgeizig).

 

Schwerpunkt: 4. Reinigungsstufe bei Anlagen über 15000 Einwohner zu 20% bis Ende 2033, zu 60% bis Ende 2039, flächendeckend bis Ende 2045.

 

Die nicht unerheblichen Investitionen sollen gemäß dem Verursacherprinzip zu 80% der Investitions- und Betriebskosten von Teilen der Industrie getragen werden, wobei man sich auf die Kosmetik- und Pharmaindustrie beschränkt weil diese den größten Teil der in kommunale Kläranlagen eingeleiteten Spurenstoffe erzeugen. Es sollen alle Produzenten von Wirkstoffen mit einem Produktionsvolumen von mehr als einer Tonne pro Jahr belastet werden.

 

Eine positive Entwicklung ist es, dass man erkannt hat, dass in diesem Falle nicht die Bevölkerung in die Pflicht genommen werden soll, die durch Verschreibung (Medikamente) oder intensive Werbung (Medikamente, Kosmetik) dazu gebracht wird die Substanzen zu konsumieren.

 

Wie zu erwarten war ist die Industrie nicht direkt begeistert.

Gegenargumente:

- die Kosten werden natürlich auf den Medikamentenpreis aufgeschlagen, also kann man doch gleich Steuergelder nehmen. -  Allerdings hat man dann praktisch keine Steuerungswirkung und es ist sicher, dass direkt nur die Konsumenten getroffen werden, noch dazu alle unabhängig vom Konsum.

- die Verteuerung bestimmter Medikamente (gerade billige Generika) mit geringer Verdienstspanne führt dazu, dass sich die Produktion nicht mehr lohnt und wir haben dadurch Engpässe. - Leider hat die Entwicklung der letzten Jahre gezeigt, dass das augenblickliche System wegen Auslagerung der Produktion in Länder mit billiger Arbeitskraft und laxen Vorschriften eine sichere Versorgung gerade mit Generika und anderen Präparaten mit geringen Verdienstspannen wie Antibiotika nicht garantieren kann. Wir müssen uns hier ohnehin etwas einfallen lassen.

- gelegentlich hört man auch, das Risiko der Produktion von neuen Präparaten sei zu hoch wenn diese bei Überschreiten der Grenze von 1 t Wirkstoff zusammen mit einem 2. Produzenten schlagartig weniger profitabel wird. - Hier sollte evtl. in nationalen Vorschriften nachgearbeitet werden, die Rahmenrichtlinie läßt m.E. Spielraum.

- die Industrie werde pauschal in die Pflicht genommen.-  Allerdings sollen die Beiträge auch nach der Gefährlichkeit der Stoffe gestaffelt sein (Art. 9, 3b). Diese Staffelung liegt allerdings noch in weiter Zukunft da ein dazu nötiges Regelwerk und die nötigen empirischen Daten erst geschaffen werden müssen.

 

 

Wesentliche Probleme:

- die nationale Umsetzung der Vorschrift läßt einigen Spielraum, was zu Produktionsverlagerungen etc. führen kann.

- angedacht ist eine Steuerungswirkung, die bei einer pauschalen Belastung oder bei pauschaler Weitergabe an die Konsumenten nicht erzielt wird.

- das Ziel wird so wahrscheinlich nicht erreicht da viele relevante Spurenstoffe nicht in der (wohlgemerkt notwendigen) 4. Stufe eliminiert werden können.

- viele Stoffe (z.B. TFA oder viele Industriechemikalien z.B. aus Reifenabrieb) werden nicht nur aus Medikamenten und Pharmaka gebildet und nicht nur in den Eingang kommunaler Kläranlagen freigesetzt. Daher ist die gewählte "end of pipe"-Strategie für die Ziele der Wasserrichtlinie unzureichend und muss durch Regulierungen z.B. durch REACH (oder was nach der nächsten "Reform" davon noch übrig ist) ergänzt werden. Wir wissen inzwischen, dass lobenswerte freiwillige Initiativen zu langsam und nicht umfassend genug sind (Spurenstoffdialog).

- wir brauchen bessere und einheitliche Regelungen für industrielle Einleitungen (damit nicht aufgrund der Freigabe von einzelnen lokalen Verwaltungen z.B. tonnenweise TFA in Flüsse geleitet werden kann).

 

Bernd Wille

 

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